Aus dem Handelslatt vom 03.05.2012
Titel: “Der Mentor”
Autor: Palm, Regine/ Terpitz, Katrin
Der ehemalige Eon-Chef gründet mit Ex-Managern eine Beratung für Top-Führungskräfte.
Zwei Jahre ist es her, dass Wulf Bernotat, 63, das Amt als Vorstandschef des Energiekonzerns Eon abgab. Doch von Ruhestand kann keine Rede sein. Statt dessen versucht sich der umtriebige Alt-Manager als Jungunternehmer. Seine Aufsichtsratsmandate bei der Allianz, Metro, Bertelsmann und der Deutschen Telekom und seine Beratertätigkeit für Credit Suisse und Finanzinvestor Per- mira lasten Bernotat nicht aus: Wie das Handelsblatt erfuhr, hat er mit zwei Mit-gesellschaftern eine Firma gegründet. Die Bernotat & Cie. GmbH mit Sitz in Essen engagiert ehemalige Top-Manager als Mentoren für aktive Top-Manager.
Bernotat hat dafür illustre frühere Spitzenmanager aus diversen Branchen um sich geschart. Zu den 13 Mentoren, die für die Beratungsfirma arbeiten sollen, zählen neben ihm selbst Ex-Chefs wie Manfred Wennemer (Continental), Kai- Uwe Ricke (Deutsche Telekom), Bernd Kundrun (Gruner + Jahr), Alexander Mettenheimer (Privatbank Merck Finck), Uwe Franke (BP Europa) und Norbert Klusen (Techniker Kranken- kasse). Auch zwei Managerinnen aus dem Mittelstand sind dabei. Einziger Profi-Coach ist Psychologin und Mitgesellschafterin Isabel Witte.
Genauso prominent wie die Mentoren sollen die Kunden sein: Bernotat wirbt derzeit in Deutschlands obersten Führungsetagen für seine Dienste. Aus eigener Erfahrung weiß er: “Wenn man CEO wird, sind die Anforderungen viel komplexer als die eines normalen Vorstandsmitglieds. Plötzlich steht man im Zentrum des öffentlichen Interesses.” Der Umgang mit Mitarbeitern, Aufsichtsrat, Vorstandskollegen, Betriebsrat, Aktionären und Politik sei herausfordernder denn je.
Bernotats erfahrene Mentoren wollen Sparringspartner für aktive Manager sein. “Führungskräfte von heute haben – wenn überhaupt – nur einen sehr kleinen Bereich in ihrem Berufs- und Privatleben, der frei von Anforderungen und Beobachtung ist”, sagt Bernotat. Beim Mentor dagegen sollen sie einen “agenda- und hierarchiefreien Raum” zur Diskussion haben – Diskretion Ehrensache.
Tatsache ist: Je höher Manager aufstei- gen, umso einsamer werden sie. “Viele sind nur noch von Ja-Sagern umgeben, ihnen fehlt ehrliches Feedback”, sagt Psychologe Wolfgang Walter, Partner der Personalberatung Heidrick & Struggles, der Vorstände coacht.
“Wir bieten Führungskräften aus Kon- zernen und Mittelstand ein Mentoring, in dem es neben der Beratung um Refle- xion und Erfahrungsaustausch geht”, sagt Bernotats Mitstreiter Uwe Franke, Ex-Europachef von BP. Der Vorstand selbst könne Kontakt zu Mentoren suchen. Der Anstoß könne aber auch vom Aufsichtsrat kommen.
Nach einem “Chemie-Check” gehen beide, Mentor und Mentee, eineinhalb Tage zur Bestandsaufnahme in Klausur. Das Mentoring dauert dann sechs bis acht Quartale. Für ein Fixum an Honorar gibt es auch unbegrenzten Zugangzum Mentor. Über das Honorar schweigt Bernotat. In der Regel kostet ein halbes Jahr Vorstandscoaching bei Profi-Trainern zwischen 20 000 und 40 000 Euro.
Bernotat schließt hierzulande eine Marktlücke. Klassisches Mentoring spielt sich bisher in einer Firma ab. Es gibt zwar auch zwischenbetriebliches Cross-Mentoring, damit Mentees unbe- lastet reden können. Jedoch scheuen sich viele Firmen davor – aus Angst, Top-Talente an externe Mentoren zu verlieren, sagt ein hoher Konzern-Perso- naler, der ungenannt bleiben will. Ex-Manager als Mentoren – das Geschäftsmodell ist in Großbritannien seit 1997 mit Merryck & Co. etabliert. Personalberater Krister Svensson gründete 2005 in Brüssel CMI. Zu den über 30 Mentoren zählt auch Jürgen Dor- mann, Ex-Chef von Hoechst und ABB. In der Coaching-Branche gilt der Aus- tausch mit Sparringspartnern auf Augen- höhe per se als sehr hilfreich. “Ein exzellenter Manager ist aber nicht unbe- dingt ein guter Ratgeber”, sagt Psycho- loge Walter. “CEOs sind von ihrer Per- sönlichkeit her meist nicht die besten Zuhörer.” Unabdingbar sei deshalb ein psychologisches Training für solche Mentoren.
Bernotat sieht das offenbar ähnlich – er hat schonmal alle seine Mitstreiter zur Weiterbildung verpflichtet.
Weitere Informationen unter: http://www.bernotat-cie.com/